Nachdem ich das neue Monkey Island durchgespielt hatte, dachte ich mir, ich müsse doch mal “The Art of Point’n’Click Adventure Games” aus dem Regal holen, wo es schon seit 2018 steht. Und wo ich es jetzt gerade ausgelesen habe, bin ich doch ein wenig zwiespältig dem Buch gegenüber. Es ist eigentlich ein typisches Tabletop-Buch aus dem Hause Bitmap Books aus dem Vereinigten Königreich, das schon einige Art-Of-Bücher insbesondere für Konsolenspiele rausgebracht hat. Es gibt hier mehrere Autoren, die die hier abgedruckten Interviews mit verschiedenen Gamedesignern geführt haben. Hier geht es einmal wirklich nur um das Design der Spiele und das Buch erhebt kein Anspruch darauf ein Kompendium zu sein oder gar vollständig alle PNCAG anzusprechen. Eher im Gegenteil. Hier werden nur hochauflösende Screenshots der Spiele gezeigt. Teilweise nur ein Screen pro Spiel. Es wird hier zwar chronologisch nach Jahren vorgegangen, aber nur wenige Daten zu den Spielen aufgezeigt. Alle paar Seiten bekommt man ein 2- bis 4-seitiges Interview mit verschiedenen Gamedesignern zu lesen, in denen schon ein paar Daten zu deren Spiele stehen. Die Interviews laufen immer nach dem gleichen Muster ab: Eine Frage zu, wie sie denn zu Videospielen gekommen sind und ob sie vorher, bevor sie Gamedesigner wurden PNCAG gespielt haben. Von den älteren Designern bekommt man dann etwas von Textadventure ZORK meist zu hören. Die etwas jüngeren nennen fast ausnahmslos THE SECRET OF MONKEY ISLAND mindestens oder INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE.

Das Tabletop selbst ist ein gebundenes Hardcover mit Fadenlesezeichen. Die Seiten sind aus beschichteten, hochwertigen Papier. Die Qualität lässt hier nichts zu wünschen übrig. Ich habe bei einer kurzen Recherche über die Autoren nichts gefunden (aber so in die Tiefe bin ich auch nicht gegangen). Ich gehe mal davon aus, da das Buch aus UK kommt, dass wir es hier mit britischen Autoren zu tun haben. Und ausschließlich Männer, trotzdem Grafikadventure den Ruf haben, dass rund 70% der Fans heutzutage weiblich sind. Auch bei den Designer Interviews nur drei Frauen: Collette Michaud, Natalia Figuera und Jane Jensen. Roberta Williams hat man vielleicht auch einfach nur nicht für ein Interview bekommen. Aber auch andere fehlen. Der Fokus steht hier zudem besonders auf US-amerikanische Adventure. Klar was bei der Übermacht von Sierra und LucasArts erstmal nicht verwunderlich ist. Aber auch im Laufe des Buchs werden hier wenige europäische Spiele und Designer erwähnt bzw. interviewt. Wie schon erwähnt, erhebt man hier ja gar keine Vollständigkeit, aber Ausgewogenheit scheinbar auch nicht. 90% der Interviews wurden mit ehemaligen Mitarbeitern von Sierra und LucasArts geführt. Die restlichen 10% sind zur Hälfte auch meist Amerikaner. Bei den Briten wird natürlich zu recht Serien wie SIMON, BROKEN SWORD und DISCWORLD aufgezeigt und Interviews geführt. Bei den Sierra und LucasArts Spielen, werden fast alle erwähnt und teilweise sogar nochmals extra spätere Grafik-erweiterte PC- bzw. CD-ROM-Version und später im Buch die remasterten Versionen. Bei den europäischen Spielen wird zwar der erste Teil der spanischen Reihe RUNAWAY mit einem Screenshot erwähnt und die Tschechen mit BLACK MIRROR (aber auch nur Teil 1). Überrascht hatte mich, dass man das norwegische Spiel LONGEST JOURNEY nicht übersehen hat.

Deutsche Spiele wurden fast gar nicht erwähnt und keine Designer interviewt. Erwähnt wird DEPONIA (das mit Sonntags-Comicstrip-Humor-artig abgetan wird) und das eher nicht erfolgreiche und fast unbekannte GOING DOWNTOWN. Aber kein GEHEIMAKTE (SECRET FILES), SYBERIA, JACK KEANE, LOST HORIZON, EDNA BRICHT AUS, HAUNTED oder ANK. Ohnehin wird hier auf den angeblichen “Tod” der Grafikadventure 2002/2003 viel hingewiesen. Was natürlich eine rein US-amerikanische Sicht ist (und verwundert, wenn das Buch tatsächlich von Briten verfasst wurde). Denn in Europa gab es nicht wirklich einen “Tod” jenes Genre. Auch nach 2000 erschienen hier regelmäßig Grafikadventure, bis heute. Mit dem Unterschied, dass es eben auch hier kein Sierra oder LucasArts mehr wirklich gibt und dass vielleicht hier auch das Adventure-Genre in den späten 80ern bis Mitte der 90er nicht gar so populär war, wie auf dem amerikanischen Markt, aber dafür ist das Interesse an diesem Genre hier “gleich groß” geblieben. So wie es im europäischen Raum auch nicht 1983 einen Videogame-Crash gegeben hat, der immer wieder gerne von US-Amerikanern ehrfürchtig wieder und wieder erwähnt wird. Amerikaner sehen sich eben immer gerne als Mittelpunkt der Welt. Und das nicht erst seit Trump. Und ich denke, dass dies Buch auch mehr eine US-amerikaner Zielgruppe anpeilte und vielleicht irre ich mich ja auch, dass hier nur britische Autoren am Werk waren.

Zudem bin ich immer wieder der Meinung, dass sich Sierra und LucasArts bei den Grafikadventuren selbst abgeschossen haben. Die Entscheidung ab Ende der 90ziger quasi zu 3D-Shootern umzubauen, wie KINGS QUEST 8 und MONKEY ISLAND 4, hat das Genre in den USA wirklich erst unbeliebt gemacht. Was nutzen einem gute Storys, wie z.B. bei einem GABRIEL KNIGHT 3 im FPS-Look, wenn die Spiele nicht nur hässlich, sondern nur über Tastatur oder gar Gamepad zu steuern kaum spielbar sind? Warum keine Maussteuerung mehr? Selbst FPS-Shooter benutzen am PC weiterhin neben der Tastatur eine Maus. Seit Mitte der 2010er sind nun die PNCAG auch in den USA zurückgekehrt. Und natürlich wird so gemacht, als hätte es zwischen 2003 (in dem SAM & MAX 2 und FULL TROTTLE 2 kurz vor der Fertigstellung von LucasArts gecancelt wurden) und 2014 (als die ersten beiden MONKEY ISLAND Spiele “remastert” wurden) keine Spiele dieser Art mehr wirklich gegeben. Trotzdem ja in den USA auch Tell Tale Games mit ihren Sam & Max – und Monkey Island – Serien die Fahne auch in den 2000ern hochgehalten haben. Überhaupt werden Spiele die in den USA in der Zeit rausgekommen sind, hier im Buch auch nicht wirklich erwähnt oder unvollständig. So ist GRAY MATTER von Jane Jensen kein Screenshot wert. Bei A VAMPIRE STORY und GHOST PIRATES OF VOOJU ISLAND von Will Tiller wird nicht einmal erwähnt, dass hier Fortsetzungen vorgesehen waren und beide Spiele unvollständig und mit Cliffhanger endeten. Denn wenn man die beiden Spiele schon zeigt und sogar ein Interview mit Tiller inklusive hat, kann man das schon mal zur Sprache bringen. Tiller wird hier zum Beispiel nur zu seiner Zeit bei LucasArts ausführlich interviewt und seine beiden späteren Spiele finden im letzten Absatz eine Erwähnung, dass sie existieren, aber mehr auch nicht. Tiller hätte bestimmt dazu einiges zu berichten gehabt, als immer nur alle ehemaligen LucasArts-Angestellten nur zu ihrer Zeit bei LucasArts zu befragen.
Ja, viele Merkwürdigkeiten, die mir ein bisschen die Freude an dem Buch genommen haben. Trotzdem ist es schön anzusehen, aber die Interviews verraten einem nichts Neues, wenn man als Fan diversen Foren und Blogs zu Grafikadventure folgt, und als Nicht-Fan wird wiederum zu viel Wissen vorausgesetzt. Wenn man sich das Buch aber doch kaufen will, denn das gibt es unterdessen in der dritten Auflage, dann bitte unbedingt beim Hersteller selbst bestellen. Kostet ein bisschen mehr als bei Amazon, aber dafür kommen deren Bücher in einer sehr guten und sicheren Verpackung. Der Karton passend zur Größe des Buchs, bestens gepolstert und das Buch selbst mit Kantenschutz versehen. Da muss schon ein LKW drüberfahren, um das Buch zu beschädigen. Amazon schmeißt das Buch ohne jegliche Sicherung oder Umverpackung in einen dünnen Karton. Wie man in den Rezensionen lesen kann, sind da schon völlig zerstörte Buchcover angekommen. Ich kaufe ja keine Bücher bei Amazon, aber das soll da wohl jetzt so gang und gäbe sein. So etwas ist natürlich nicht nur bei einem fast 40 Euro teuren Artbook ärgerlich, sondern auch bei allen anderen Büchern, die kein Kindl sind.