Wolfenstein: Youngblood spielt in der Alternate Reality, in der B.J. Blakovic in den Fünfzigern begonnen hat, den Nazis aufs Maul zu geben und in den Siebzigern die USA von ihnen befreite.
Inzwischen ist es 1980 und die beiden Töchter von B.J. sind halbwegs erwachsen und treten in seine Fußstapfen, nachdem er in Europa während einer Mission verschwindet. Mit ihrer technikkompetenten Freundin Abby fliegen sie nach Paris, um ihn zu suchen.

Das ist die sehr rudimentäre Story und die wird auch sehr rudimentär erzählt, denn es gibt nur zwei Storysequenzen am Anfang und am Schluss des Spiels. Dazwischen spielt man einen sehr konventionellen Open World Shooter mit Haupt-, Neben- und Randommissionen in einem sehr überschaubaren Paris-Setting mit einer Hand voll Arealen, in denen diese verteilt werden.
Was das Spiel heraushebt ist auf Gameplayebene, dass es ein reines Coop-Spiel für zwei Personen ist und auf der visuellen/narrativen Ebene, dass es – neue USK-Regeln sei Dank – eindeutig gegen Nazis geht. Im Gegensatz zu den für den deutschen Markt sehr entschärften Wolfenstein-Spielen kann man nämlich inzwischen auch die internationale Version kaufen, in denen der Nationalsozialismus nicht mehr durch ein Fantasie-“Regime” ersetzt wurde.
Fangen wir mit dem Gameplay an: Dass man Youngblood zu zweit spielt, macht das Spiel trotz seiner offensichtlich sehr generischen und (wohl aus Budgetgründen) sehr repetitiven und wenig abwechslungsreichen Umgebung interessant. Als Einzelspielertitel würde man wahrscheinlich schnell die Lust verlieren, immer wieder durch die selben Gebiete zu stapfen, in denen die immer gleichen Gegner an den immer gleichen Stellen spawnen. Zu zweit ist das nicht schlimm, weil man ja während des Spielens plauscht und irgendwelchen Quatsch ausprobiert. Das lenkt genügend von der mageren Abwechslung auf dem Bildschirm ab, um Spaß zu haben.
Die Steuerung ist ordentlich, so wie man es von der Engine inzwischen erwartet. Auch Sprungpassagen – von denen es dennoch zum Glück nicht viele gibt – kann man gut bewältigen.

Es gibt im Hintergrund ein bisschen Progression, indem man auflevelt sowie Skills und Waffen aufrüstet und verbessert. Auch das ist gut gelöst, weil es nicht zigtausend kleine Prozentaufwertungen gibt wie in vielen RPGs sondern gefällt – wie schon bei Rage 2 und Mad Max -, indem jede Verbesserung sofort einen spürbaren Effekt nach sich zieht.
Auch die Waffen funktionieren gut, allerdings ist das Waffenarsenal und das Handling als Nachfolge von Rage 2, in dem jede Waffe klare Schwerpunkte gesetzt hat, wofür man sie brauchen kann, ein Rückschritt. Letztendlich kann man fast jeden Gegner mit fast jeder Waffe genauso gut erledigen. Die einzige Hürde sind Panzerungen, bei denen bestimmte Waffen genutzt werden müssen, um sie runterzuballern. Das allerdings ist derart random und willkürlich, dass man das quasi auswendig lernen muss, denn es gibt physikalisch gar keinen Grund, Panzerung 1 nur mit Waffe A und Panzerung 2 nur mit Waffe B zu beschießen, wenn beide Waffen eh nur Kugeln verschießen.
Das stört die Lesbarkeit des Spielablaufs, so wie sich das Spiel überhaupt schlecht erklärt. Der erste Boss zum Beispiel im Tutoriallevel erscheint einem extrem schwer, weil nicht herauszufinden ist, wie man ihn besiegen kann. Und man möchte das irgendwann auch gar nicht mehr herausfinden. Es ist am Ende leichter, die Schwierigkeitsstufe einfach kurz auf die einfachste zu setzen und ihn mit Dauerfeuer zu belegen.

Das zieht sich durch das gesamte Spiel: Man überschreitet ständig unsichtbare Arealgrenzen, was dazu führt, dass plötzlich wieder alle Feinde im Level sind, die man gerade ausgeschaltet hat, man hat eine Schleichmechanik die man so gut wie nie anwenden kann, weil die Feinde ohnehin immer in Gruppen auftauchen und die Leiche daher sofort finden, wenn man einen von ihnen lautlos umbringt und die aus den Solospielen bekannte Mechanik, erst mal den Kommandanten zu finden und zu töten damit er keine Verstärkung anfordert funktioniert hier nicht, weil man die Kommandanten nicht in der Minimap angezeigt bekommt. In den Solospielen hatte man diese Anzeige und das in überschaubaren Schlauchleveln. Bei den großen Open World Arealen und mehrstöckigen Bosslevel-Gebäuden ist das Weglassen gleich doppelt unsinnig: Wenn man wirklich schleichen möchte (was angesichts der fehlenden Versteckmöglichkeiten eh nur mit den Cloaking-Skill geht), braucht man fünf mal so lange, den Kommandanten zu finden als wenn man einfach gradewegs reinrennt und alles umholzt was sich bewegt. Letzteres macht aber zum Glück genug Spaß, vor allem zu zweit.

Kommen wir zur Atmosphäre: Die ist im Vergleich zu den vorigen Wolfenstein-Spielen zwar schwach, wenn man die aber nie gespielt hat, wirklich gut. Das Nazi-AU ist seht dicht: Das Paris sieht sehr hübsch aus, auch wenn es bei genauerem hinsehen auch jede andere ältere europäische Innenstadt sein kann (Pariser Landmarken kommen gar nicht erst vor). Die große Stärke ist aber der Sound. Sicher ist das auch dem geringen Budget geschuldet, aber man hat aus der Not eine Tugend gemacht: Die Sprachausgabe ist hervorragend. Deutsche sprechen Deutsch, Franzosen Französisch und wenn jemand mit den Töchtern spricht, hat er oder sie einen harten Akzent. Was aber absolut grandios ist, ist die Musik: Die ist eine ständige Parodie auf die Elektrosounds der frühen Achtziger und man hört ständig extra produzierte Songs (hört euch das an!!!), die sehr krude und irritierende deutsche Versionen von Titeln der Pet Shop Boys (Berlin Boys und Stuttgart Girls) und anderer Achtziger Bands sind. Außerdem wird eine anscheinend jedem bekannte Band namens “Die Käfer” ständig als die größte Band der Welt gehandelt, die die Welt der Popmusik veränderten, aber leider irgendwann aufhörten, neue Musik zu produzieren…

Urteil:
Insgesamt bekommt man für seine 30 Euro ein sehr edles DLC oder ein sehr abgespecktes Vollpreisspiel.
Das Shootersystem ist – auch wenn es hinter dem 6 Monate vorher erschienenen Rage 2 zurückfällt – grundsätzlich prima und es macht natürlich großen Spaß, ausgerechnet Nazis zu erschießen.
Die beiden Protagonistinnen sind lustig und funktionieren auch in der Narration als Team super.
Die Welt ist generisch und das offensichtlichste Opfer des Versuchs, mit möglichst wenig Budget ein möglichst großes Spiel hinzulegen. Die Versuche, Spielzeit zu strecken, sind zuweilen ärgerlich offensichtlich und mir wäre es lieber gewesen, auf 5 Stunden Spielzeit zu verzichten, dafür aber ein stringenteres Erlebnis zu haben.